Montag, 1. Oktober 2007

Austausch mit einem "Junge SVP" Politiker


Vor einigen Wochen hatte ich einen kurzen E-mail Austausch mit einem Jungen SVP Politiker. Da der Inhalt eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, bleibt er anonym. Mit meinem Mail an diesen Politiker wollte ich kein Feuer entfachen, sondern schlicht und einfach einmal eine persönliche und direkte Stellungnahme zu gewissen Dingen bekommen. Grund dafür war reine Neugier. Hier ein Auszug aus dem Briefverkehr:


Frage an den SVP Politiker:
was halten sie vom kontroversen plakat der SVP gegen ausländerkriminalität (stichwort schwarze schafe)? finden sie nicht dass solche zweideutigen aktionen eindeutig zu missverständnissen führen? oder sind das gar keine missverständnisse sondern purer rassismus in bildform? finden sie es nicht primitiv und hetzerisch wie die SVP mit instrumentalisierter angst aufzeigen muss wie vergiftet unsere schweiz anscheinend ist? befürworten sie wirklich eine politik wie sie in den USA betrieben wird, wo man sich gegenseitig gegeneinander aufhetzt und mit dreck bewirft? ist es ihnen egal wenn ausländsiche medien uns als nazis bezeichnen und der UNO sonderbeauftragte für rassismus (ein senegalese) solche wahlplakate aufs schärfste kritisiert?

Antwort:
Bei mir hört die Grenze dort auf, wo die Ehrverletzung eines Individuums beginnt. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb man sich so über das Plakat der SVP enerviert. Der
Ausdruck "das schwarze Schaf" ist ebenso geläufig wie populär. Oder
haben Sie ihn bisher noch nie gehört? Es geht darum, jemanden zu
charakterisieren, der sich nicht an die Regeln hält und negativ auffällt
- egal welcher Hautfarbe. Ich habe den Eindruck, gewisse Persoen wollen
im schwarzen Schaf geradezu den schwarzen Menschen sehen, um dann der
SVP schlechten Stil vorwerfen zu können.

Frage an den SVP Politiker:
Auf ihrer homepage lese ich: "Einbürgerungen sind politische und demokratische Entscheide"
demokratische entscheide? wenn an gemeindeversammlungen entschieden wird, wer eingebürgert werden soll und wer nicht, kristalisiert sich in einigen jahren heraus, das ländliche gegenden vermehrt fremdenfeindlich sind und urbane gegenden liberaler. es vergrössert sich der röschtigraben. ferner spielen persönliche machtspiele eine rolle wer eingebürgert wird und wer nicht. eine unparteilicher entscheid wäre somit vom tisch und unser ruf in europa als hochburg der fremdenhasser würde bestätigt!

Antwort:
Ich denke nicht, dass die Schweiz als Hochburg der Fremdenhasser
angesehen wird. Dass ländliche Gemeinden restriktiver einbürgern als
städtische, sehe ich auch nicht per se als Problem. Es gibt den Menschen
Chancen, die Praxis auf dem Land mit der in der Stadt zu vergleichen und
zu erkennen, dass in den Städten nicht selten Pässe verschleudert
werden. Eine Einbürgerung ist eine Art Wahl in den "Verein" der
Schweizer Stimmbürger. Diese Wahl unterscheidet sich nicht gross von
z.B. einer Nationalratswahl. Deshalb soll auch niemand begründen müssen,
weshalb er jemanden nicht wählt bzw. nicht einbürgert. Es sind eben
politische Entscheide. Der Wähler muss und soll sich auch nicht
rechtfertigen, wenn er den Kandidaten X nicht wählt, ohne ihn zu kennen.

Frage an den Politiker:
unter ihren "standpunkten" lese ich: "das antirassismus gesetz lässt keine notwendige Diskussionen über die Ausländerkriminalität zu."
wie kommen sie denn auf diese idee? solange sie in einer diskussion nicht sagen "dieser scheiss jugo muss raus" tangieren sie das antirassismusgesetz bei weitem nicht!

Antwort:
Sie unterschätzen die Auswirkungen des Antirassismusgesetzes. Verurteilt
wird z.B. auch, wer für die Öffentlichkeit bestimmte Waren und
Dienstleistungen bestimmten Personen vorenthät. M.E. ist dies eine
legitime, wenn auch womöglich falsche und nicht wirtschaftliche
Überlegung. Aber es steht uns nicht an, die Vertragsfreiheit zu
sabotieren. Zudem beginnt die Wirkung des Gesetzes weit vor einer
Verurteilung. Schon die Anzeige und erst recht der Prozess verschlingen
Zeit, Geld und Energie. Fragen Sie einmal Heinz Müller, Präsident SVP
SO, was er durchmachen musste wegen einer harmlosen, etwas zugespitzten
Aussage. Nun ist Andreas Glarner, Kantonsrat SVP AG, angeklagt wegen
Verletzung dieses Gesetzes. Sein "Verbrechen": Er hat Inserate
geschalten, wo eine Frau mit Kopftuch abgebildet ist, und darüber der
Slogan steht: Aarau oder Ankara? Solche Äusserungen müssen in einer
freien Gesellschaft erlaubt sein! Im Übrigen darf diese Frage auch in
sachlicher Hinsicht gestellt werden. Das Kopftuch ist ein Symbol der
Abgrenzung gegenüber westlichen Wertvorstellungen der Gleichberechtigung
von Frau und Mann. Die steigende Anzahl an Frauen mit Kopftuch muss die
Frage erlauben, ob der Primat der abendländischen Kultur noch gesichert
ist. Was ich damit sagen will: Das Antirassismusgesetz ist ein
Instrument kleinkarierter Polit-Spiesser, um missliebige Politiker mit
Anzeigen zu belästigen. Das Gesetz schafft ein Klima der Angst, des
Schweigens und verhindert offene, vielleicht harte, aber ehrliche
Aussagen. Oder haben Sie noch nie jemanden gehört, der gesagt hat, "aber
das darf i jo fast nümme säge"? und sei es nur bei einem Witz.

Frage an den Politiker:
Auf ihrer homepage steht weiter unter dem Standpunkt "Toleranz" folgendes (und nur das!):

Toleranz
- Toleranz heisst weder Grenzenlosigkeit noch Selbstverleugnung unserer Kultur.
- Gegenüber Gewalt gibt es keine Toleranz.

das klingt dermassen verbittert wenn nicht sogar verhasst, dass es mir graust. da stehen gerade mal zwei sätze und beide zählen auf,was von der toleranz ausgeschlossen wird. das ist schon erbärmlich!

Antwort:
Toleranz ist, wenn man sie im Sinne der Aufklärung versteht, eine
Bedingung für das Funktionieren unseres Staatswesens. Man lässt den
anderen in Ruhe, auch wenn man seine Meinung nicht teilt. Heute wird
Toleranz jedoch mit Kapitulation verwechselt. Unseren Rechtsstaat zu
relativieren, um Muslime nicht zu verärgern, hat nichts mehr mit
Toleranz zu tun. Das ist nur noch Schwäche. Schauen Sie nur einmal, wie
der Westen reagiert hat auf den islamischen Protest betr.
Mohammed-Karikaturen oder die Regensburger Papst-Rede. Sofort rief man
dazu auf, die Meinungsfreiheit nicht zu "missbrauchen" (wie geht das
überhaupt?) oder sie "verantwortungsvoll" zu gebrauchen. Die
Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter in unserer Kultur. Wer
hier lebt, hat zu akzeptieren, dass er kritisiert werden kann, auch wenn
diese Kritik nicht a priori vernünftig oder differenziert ist. Diese
Errungenschaft hat sich über Jahrhunderte und mit viel Blutvergiessen
durchgesetzt Sie ist viel zu wertvoll, als dass wir sie mit einer als
Toleranz bezeichneten Kapitulationsmentalität wieder aufs Spiel setzen.

2 Kommentare:

schibli hat gesagt…

das sind halt die weltanschauungen, welche hier zusammenprallen. ausserdem ist es eine politische kunst (welche die svp sehr gut beherrscht) meinungen die eigendlich absolut daneben wären, so zu begründen und niederzuschreiben, dass man beinahme denken könnte, sie hätten "irgendwodurch schon auch recht".

spätestens bei aussagen wie "Das Kopftuch ist ein Symbol der
Abgrenzung gegenüber westlichen Wertvorstellungen der Gleichberechtigung
von Frau und Mann." wird klar, dass einer partei, welche sich immer und auf allen ebenen gegen die gleichberechtigung gesperrt hat, dies nur ein verkaufsargument und kein anliegen sein kann.

ebenso hat, bei aller symphatie für die meinungsfreiheit, auch diese gewisse grenzen. das wusste schon immanuel kant, als er diese definierte.

schibli hat gesagt…

wikipedia meint zum thema meinungsäusserung übrigens etwas, dass sehr treffend ist:
"Der Unterschied zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen ist fließend."